Sie wollen mehr über das Leistungsspektrum der msg-Gruppe erfahren? Dann besuchen Sie die Internetseiten der msg und der msg-Gruppenunternehmen.
Wieder ein Finanzskandal, der die Menschen weltweit entrüstet hat. Beteiligte sind wie gewohnt die Reichen und Mächtigen, die über Briefkastenfirmen in Steueroasen ihr Vermögen am Fiskus vorbei in Sicherheit bringen. Das Brisanteste bei der Enthüllung der Pandora Papers war die Beteiligung von hochrangigen Politikern, zu deren Aufgabe es gehört, diese Art von Wirtschaftskriminalität zu unterbinden. Dubiose Offshore-Geschäfte von mehr als 330 Politikern und Amtsträgern aus beinahe 100 Ländern sind in den Pandora Papers dokumentiert. Der Aufschrei war groß, denn es ist nicht der erste Skandal dieser Art. Der bekannteste Fall waren die im Jahr 2016 veröffentlichten Panama Papers, aber auch die Luanda Leaks (2020), Paradise Papers (2017) und Lux Leaks (2014) enthüllten dubiose Machenschaften in so genannten Steuerparadiesen.
Rückblickend stellt sich die Frage, ob und was auf gesetzlicher und regulatorischer Ebene nach den genannten Enthüllungen geschehen ist. In diesem Blogbeitrag werden die Auswirkungen der Panama Papers beleuchtet. Hierfür nehmen wir die regulatorische Entwicklung vor und nach Enthüllung der Panama Leaks unter die Lupe, um Rückschlüsse auf deren Einfluss ziehen zu können.
Welche Probleme wurden durch die Panama Papers aufgedeckt?
Das Datenleck Panama Papers wurde im April 2016 veröffentlicht. Es brachte zutage, dass komplexe Eigentumsstrukturen dazu verwendet wurden, kriminelle Aktivitäten zu verschleiern und Steuerpflichten zu umgehen. Die Dokumente zeigten, dass die Transparenz in Bezug auf den eigentlichen wirtschaftlichen Eigentümer bestimmter juristischer Personen verbessert und international enger zusammengearbeitet werden muss. Gleichzeitig wurde Druck auf Regierungen und Justizbehörden ausgeübt, um die Schuldigen zu bekämpfen – und weltweit wurde der Ruf nach strengeren regulatorischen Anforderungen laut. Einige der in den Dokumenten genannten politisch exponierten Personen (PEP) standen bereits auf internationalen Listen oder waren davor als „Special Interest Person“ in Erscheinung getreten.
Durch die Auswertung der Leaks wurden allein in Deutschland über 38,4 Mio. Euro an Steuernachforderungen erzielt, über die strafrechtlichen Verfolgungen weitere gut 19 Mio. Euro.[1]
Regulatorische Entwicklung vor Veröffentlichung der Panama Leaks
Die EU-Kommission hat schon vor Veröffentlichung der Panama Papers die Notwendigkeit für mehr Transparenz in Bezug auf Eigentumsverhältnisse von juristischen Personen gesehen. Deshalb enthielt die im Juni 2015 in Kraft getretene 4. Geldwäscherichtlinie[2] (4. GwRL) einen umfassenden Rahmen für die Erhebung, die Speicherung und den Zugang zu Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften, Trusts und sonstigen Unternehmensformen. Die Mitgliedstaaten wurden dazu verpflichtet, nationale Register der wirtschaftlichen Eigentümer einzuführen, um bestimmte Eigentümerverhältnisse transparenter zu gestalten3.
Reaktion Deutschlands auf die Panama Leaks
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Panama Leaks war die Umsetzungsfrist der 4. GwRL noch nicht abgelaufen. Unter dem Druck der Enthüllungen legte die Bundesregierung ein 10-Punkte-Papier vor. Der darin enthaltene weitreichendste Vorschlag war die Forderung nach Einführung von weltweit vernetzten Registern, welche die Namen der Personen führen, die tatsächlich hinter den Firmen stehen und von deren Erträgen profitieren. Dieser Ansatz wurde bereits mit der 4. GwRL der EU vereinbart, allerdings in Deutschland noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Tatsächlich wurde die Einführung öffentlich zugänglicher Register auf EU-Ebene aus deutscher Sicht zunächst nicht befürwortet.[3]
Ein neuer Ansatz im 10-Punkte-Papier war der Vorstoß, diese Register so weit wie möglich zu vernetzen und die Informationen für Steuerbehörden und Fachjournalisten verfügbar zu machen. Eine weitere Forderung bezog sich auf den Austausch von Steuerinformation zwischen Staaten. Aber auch diese Idee war nicht gänzlich neu, da die OECD schon länger an diesem Thema arbeitete. Ein innovativer Vorschlag im Rahmen des 10-Punkte-Plans war die Verschärfung der Verjährungsvorschrift bei Steuerstraftaten. Die Verjährung sollte erst dann beginnen, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Informationspflichten nachgekommen ist.
Das Resultat des vorgeschlagenen Aktionsplans war im Ergebnis ernüchternd. Das Tax Justice Netzwerk (TJN) veröffentlichte im April 2017 eine Bilanz, in der deutlich wurde, dass lediglich ein Vorschlag (Verjährungsvorschrift bei Steuerstraftaten) von den zehn Punkten vollständig umgesetzt wurde. Es kritisierte die Geeignetheit der Vorschläge, um nennenswerte Erfolge im Kampf gegen Geldwäsche, institutionelle Korruption oder Briefkastenfirmen zu erzielen.[4]
Einführung des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz
Eine Konsequenz, die aus der Veröffentlichung der Panama Leaks gezogen wurde, war die Einführung des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG), das im Juni 2017 verabschiedet wurde[5]. Dem vorausgegangen war eine Diskussion über die Umgehung der Besteuerung mittels Gründung und Nutzung von meist im Ausland angesiedelten Domizilgesellschaften (sogenannte Briefkastenfirmen). Einige der darin enthaltenen Änderungen waren auf EuGH-Rechtsprechung/EU-Kommission zurückzuführen.[6] Zur Ermittlung der Steuertatbestände wurden erweiterte Mitwirkungspflichten sowohl für die Steuerpflichtigen selbst als auch für Dritte (Banken) eingeführt. Durch die neuen Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden sollten Domizilgesellschaften künftig besser erkannt werden können. Das Gesetz sollte zudem eine präventive Wirkung aufgrund eines erhöhten Entdeckungsrisikos entfalten.
Kern des Gesetzentwurfs war die Schaffung von Transparenz über "beherrschende" Geschäftsbeziehungen inländischer Steuerpflichtiger zu Personengesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz oder Geschäftsleitung in Staaten oder Territorien, die nicht Mitglieder der Europäischen Union (EU) oder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sind (sogenannte Drittstaat-Gesellschaften).[7] Kritik gab es im Rahmen der Anhörung der Fachverbände daran, dass sich die Neuregelungen auf sämtliche Drittstaat-Gesellschaften beziehen und nicht nur auf solche, die keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten.[8] Außerdem wurde kritisiert, dass durch die Begrenzung auf Drittstaaten außerhalb der EU und EFTA viele als problematisch anzusehende Gesellschaften oder Strukturen insbesondere in Liechtenstein und der Schweiz ausgeklammert werden.[9]
Die Zielsetzung des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes, den Kampf gegen die Verwendung von Offshore-Briefkastenfirmen zu führen, ist durch die Neuregelungen erfüllt. Sämtliche Beziehungen zu Drittstaat-Gesellschaften sind – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Aktivität bei bestimmten Beherrschungs- oder Bestimmungsverhältnissen – von den Mitteilungspflichten erfasst. Die Zeitschrift der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. resümiert, dass die doppelte Erfüllung der Mitwirkungs- bzw. Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit Drittstaat-Gesellschaften (Steuerpflichtige einerseits, meldepflichtige Stellen andererseits) und eine in der Praxis aus Vorsichtsgründen (insbesondere wegen des Haftungsrisikos nach § 72a AO) zu erwartende weite Auslegung der Voraussetzungen zu einer weiteren Datenflut der Finanzverwaltung führt. Diese gilt es neben den zu erwartenden Informationen aus dem anlaufenden Automatischen Informationsaustausch zusätzlich zu bearbeiten.[10]
Reaktion auf EU-Ebene auf die Panama Leaks
Nach Veröffentlichung der Panama Papers wurde die gerade in Kraft getretene 4. GwRL noch einmal genauer beleuchtet. Es kristallisierte sich heraus, dass die neu geschaffenen Anforderungen hinsichtlich Transparenz nicht ausreichend waren.
Auch auf europäischer Ebene wurde daher schnell auf die Veröffentlichung der Panama Papers reagiert. Bereits im Juli 2016 legte die Kommission ihren Vorschlag zur Überarbeitung der bestehenden Geldwäscherichtlinie anlässlich der Enthüllungen durch die Panama Papers und der zwischenzeitlich in Europa verübten Terroranschläge[11] vor. Der Vorschlag beinhaltete strengere Vorschriften zur Verhinderung von Steuervermeidung und Geldwäsche, welche die bestehende Richtlinie weiter verschärfen sollten. So wurde zum Beispiel der Zugang der Öffentlichkeit zu den Registern wirtschaftlicher Eigentümer und die Ausweitung der für Unternehmen verfügbaren Informationen gefordert. Darüber hinaus erfolgte auch hier der Vorschlag zur Verknüpfung der Register, um die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu verbessern.[12] Zeitgleich veröffentlichte die EU-Kommission eine Mitteilung, in welcher sie die Transparenz im Steuerbereich fördern und den missbräuchlichen Gebrauch von Steuerpraktiken bekämpfen wollte.[13]
Appell an schnellere Umsetzung
Die Vorschläge der Kommission enthielten relevante Ansätze zur Verbesserung der 4. GwRL. Da zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die Umsetzungsfrist (26. Juni 2017) noch nicht abgelaufen war, rief die Kommission die Mitgliedstaaten dazu auf, die vorgeschlagenen zielgerichteten Änderungen bei der Umsetzung zu berücksichtigen und diese – soweit möglich – auf Ende 2016 vorzuziehen. Ziel war es, die dringend notwendige Korrektur am bestehenden Rechtsrahmen schnellstmöglich umzusetzen.[14]
Umsetzung der Transparenzanforderungen der 4. EU-GwRL in Deutschland
Die vierte Auflage der europäischen Geldwäscherichtlinie forderte unter anderem die Einführung von Unternehmensregistern. Sie sollten die wahren wirtschaftlich Berechtigten von Firmen auflisten und von Strohmännern geleitete Briefkastenfirmen vermeiden, wie sie in großer Zahl in den Panama Papers auftauchten.[15]
Zum 26. Juni 2017 wurde im Zuge der Umsetzung erstmals ein elektronisch geführtes Transparenzregister in Deutschland geschaffen. Kriminellen Akteuren sollte hierdurch die Möglichkeit genommen werden, sich hinter gesellschaftsrechtlichen Strukturen, wie etwa Briefkastenfirmen, verstecken zu können.[16] Deutschland führte ein Auffangregister ein. Nur juristische Personen des Privatrechts und eingetragene Personengesellschaften, die nicht bereits in anderen Subjektregistern aufgeführt wurden, mussten sich in das neu eingeführte Auffangregister eintragen, ansonsten galt die Meldefiktion gemäß §20 Abs. 2 GwG.[17] Das Register war nicht öffentlich, so dass nur Personen mit "berechtigtem Interesse" Einsicht erhalten sollten. Folglich erfüllte die Umsetzung die eigenen Forderungen des 10-Punkte-Planes vorerst nicht.
Das Transparenzregister wurde somit seinem Namen nicht gerecht, da Firmenbeteiligungen in Deutschland nach wie vor meist undurchsichtig blieben. Die Bundesrepublik führte zwar ein Register ein, jedoch war zu diesem Zeitpunkt bereits absehbar, dass eine neue Reformierung notwendig werden würde. Damit folgte Deutschland dem Aufruf der Kommission, die Umsetzung vorzuziehen, nicht. Ebenso konnte der Gesetzesbegründung [18] auch kein Verweis auf die Panama Papers oder den Vorschlag der Kommission entnommen werden – aus EU-Sicht sicherlich nicht überraschend. In den vergangenen 20 Jahren wurden gegen Deutschland wegen schleppender Umsetzung von Geldwäschevorschriften unter anderem zwei EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Im Jahr 2014 drohte die FATF damit, Deutschland unter anderem wegen mangelnder Vorkehrungen gegen Terrorismusfinanzierung künftig als Hochrisikoland zu behandeln.[19] Auch der FATF-Prüfbericht verdeutlicht, dass Deutschland bereits 2010 mit den FATF-Bestimmungen hinsichtlich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht voll im Einklang stand.[20]
5. EU-GwRL: Änderungen im Überblick
Die von der EU-Kommission geplanten Verschärfungen an der 4. GwRL resultierten im Mai 2018 in der 5. GwRL.[21] Als Änderungsrichtlinie baut sie inhaltlich auf der 4. GwRL auf und verschärft deren Regelungen. Betrachtet man den Inhalt der Richtlinie, so wird klar: Hier wurden die Vorschläge der Kommission in einen rechtlichen Rahmen gepackt, welcher verpflichtende Wirkung entfaltet. Denn betrachtet man rückblickend den Appell der Kommission, die von ihr vorgeschlagenen zielgerichteten Änderungen bei der Umsetzung der 4.GwRL zu berücksichtigen, so ist in Deutschland zu erkennen, dass eine Aufforderung nicht ausreichend war, um Mitgliedsstaaten zum Handeln zu bewegen. Lediglich eine Richtline war zielführend, um die Mitgliedstaaten zu einer Reaktion zu verpflichten. Inhalte der 5. GwRL waren unter anderem, die Transparenz bezüglich des wirtschaftlichen Berechtigten weiter zu verbessern. Hierzu gehörten die Erweiterung der Zugangsrechte und die internationale Vernetzung des Transparenzregisters.[22]
Umsetzung Deutschland
Die 5. GwRL trat im Juli 2018 in Kraft und musste von den Mitgliedsstaaten bis zum 10. Januar 2020 in nationales Recht umgesetzt werden. In der Begründung des Gesetzesentwurfes[23] wurde erstmals ausdrücklich auf die Panama Papers verwiesen.[24] Durch die Einführung wurde schließlich der Zugang zum Transparenzregister angepasst. Nun haben alle Mitglieder der Öffentlichkeit die Möglichkeit der Einsicht und nicht mehr nur diejenigen, die den Nachweis des berechtigten Interesses vorbringen können.[25] Dies verdeutlicht, dass mit Umsetzung der 5. GwRL die aus den Panama Papers abgeleiteten Vorhaben bezüglich der Erweiterung des Transparenzregisters aus regulatorischer Sicht rechtlich umgesetzt wurden.
Die Realisierung der ursprünglich geforderten Transparenz und Vernetzung erfolgte erst im August 2021. Durch die Umsetzung der Richtlinien (EU) 2015/839 (Geldwäscherichtlinie) und (EU) 2019/1153 (Finanzinformationsrichtlinie) wurde das bereits eingeführte Transparenzregister in ein Vollregister umgewandelt. Hierdurch wurde erstmals die sogenannte Meldefiktion abgeschafft. Verpflichtete Rechtseinheiten gemäß § 20 Abs. 1 GwG, juristische Personen des Privatrechts und eingetragene Personengesellschaften ebenso wie nach § 21 GwG nichtrechtsfähige Stiftungen müssen ihren wirtschaftlich Berechtigten nicht nur identifizieren, sondern aufgrund der im TraFinG aufgehobenen Meldefiktion explizit an das Transparenzregister melden. Schließlich wurde auch eine Registervernetzung auf EU-Ebene geschaffen, die eine vereinfachte Kommunikation zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen soll.[26]
Fazit
Die Bilanz der deutschen Anstrengungen im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist ausbaufähig. Zwar hatte der damalige Finanzminister nach Veröffentlichung der Panama Papers schon im April einen 10-Punkte-Plan aufgesetzt, jedoch wurde dieser nicht vollständig umgesetzt. Den aktuellen Stand Deutschlands hinsichtlich der Umsetzung der internationalen Standards in der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wird uns die diesjährige FATF-Deutschlandprüfung im Abschlussbericht aufzeigen. Dieser wird voraussichtlich im Juni 2022 veröffentlicht werden.
Bei dem Anti-Corruption Summit in London am 12. Mai 2016, der nach Veröffentlichung der Panama Leaks stattfand, waren 40 Länder und sechs Organisationen zusammengekommen, um der internationalen Korruption den Kampf anzusagen. Viele Länder haben dort erfolgsversprechende Schritte zur Korruptionsbekämpfung unternommen. Deutschland vertrat hingegen zu diesem Zeitpunkt noch den Standpunkt, keine öffentlich zugänglichen Register einführen zu wollen.[27]
Betrachtet man den Aktionsplan Deutschlands, so war dieser bereits bei Veröffentlichung angreifbar, da er weder in seiner Umsetzbarkeit noch in seiner Wirksamkeit ausreichend erschien. In Bezug auf Transparenz haben auch die einheitlichen Kommissionsvorschläge Deutschland nicht dazu bewegt, schneller zu handeln. Bis zuletzt setzte Deutschland einzig das auf EU-Ebene geforderte Mindestmaß um.
Auch wenn die Umsetzung fünf Jahre (2016-2021) gedauert hat, das Ziel wurde erreicht. Das Transparenzregister ist nicht nur öffentlich zugänglich und mit vollständigen Datensätzen befüllt, sondern auch auf EU-Ebene vernetzt. Wie wirksam diese Umsetzung sein wird, ist noch nicht abschließend geklärt und wird weiter zu verfolgen sein (siehe hierzu auch „Vom Auffangregister zum Vollregister – Gehen die Neuerungen durch das TraFinG weit genug?“).
Letztendlich sollte der Gesetzgeber auch in Zweifel ziehen, ob mehr Transparenz allein ausreicht, oder ob man sich der Frage nach den Daseinsberechtigungen verschachtelter Gesellschaftsstrukturen stellen sollte, um das Problem an der Wurzel zu packen.
Es bleibt spannend zu betrachten, welche Konsequenzen aus den Pandora Papers gezogen werden und welche weiteren Enthüllungen zukünftig noch folgen. Denn klar ist, dass die Panama und Pandora Papers nur die Spitze des Eisberges sind. Auch wenn internationale Erfolge im Kampf gegen Geldwäsche zu verzeichnen sind (wie z.B. die Aufdeckung der Geldwäscheskandale der lettischen ABLV Bank[28] oder der spanischen Banca Privada d'Andorra[29]), so bleibt trotzdem festzuhalten, dass noch ein langer und steiniger Weg voller Hürden vor uns liegt, alle Missbräuche zu entdecken und Schlupflöcher zu schließen.
Ob die Untersuchungen der Pandora Papers zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um legale Steuervermeidungsmodelle oder illegale Steuerhinterziehung, Geldwäsche, staatliche Plünderei (Stichwort „Kleptokratie“) oder andere Vergehen handelt, werden die Gerichte entscheiden müssen. Die Panama Leaks zeigen uns jedoch, dass solche Enthüllungen einen Anstoß zur Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens geben können. Und sie bestätigen uns, dass wir in der Geschwindigkeit und Effektivität der Umsetzung noch Potential zur Verbesserung haben.
[1] Millionen zusätzliche Steuern durch Auswertung der „Panama Papers“ (wiwo.de)
[2] Richtlinie (EU) 2015/849
[3] MeinzerTrautvetter2017_Bilanz-Aktionsplan-Schäuble-1.pdf (taxjustice.net)
[4] MeinzerTrautvetter2017_Bilanz-Aktionsplan-Schäuble-1.pdf (taxjustice.net)
[6] Bundesfinanzministerium - Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG)
[7] Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz - NWB Datenbank
[8] BT-Drucks. 18/11132, 15
[9] Das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – Neue Datenmassen für die Finanzverwaltung? - WiJ (wi-j.com)
[10] Das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – Neue Datenmassen für die Finanzverwaltung? - WiJ (wi-j.com)
[11] Aktionsplan für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung, vgl. COM/2016/050 final
[12] Fragen und Antworten: Geldwäscherichtlinie (europa.eu)
[13] EU: Kommission stärkt Transparenzvorschriften - Recht-Steuern-Wirtschaft - Verlag C.H.BECK
[14] Kampf gegen Terrorismusfinanzierung, Steuervermeidung und Geldwäsche: Kommission stärkt Transparenzvorschriften (europa.eu)
[15] Panama Papers: Geldwäsche auch in Deutschland ein großes Problem - DER SPIEGEL
[16] 5. EU-Geldwäscherichtlinie: Wichtige Änderungen | Validatis
[17] Blog: Vom Auffangregister zum Vollregister – Gehen die Neuerungen durch das TraFinG weit genug? (msg-compliance.de)
[18] BVA - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (bund.de)
[19] Panama Papers: Geldwäsche auch in Deutschland ein großes Problem - DER SPIEGEL
[20] FATF Prüfbericht 2010.pdf (hessen.de), vgl. Germany-Mutual evaluation report complete (fatf-gafi.org)
[21] Richtlinie (EU) 2019/1153
[22] 5. EU-Geldwäscherichtlinie: Wichtige Änderungen | Validatis
[23] Drucksache 19/13827
[24] BVA - Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (bund.de)
[25] Das neue GwG: Was sich durch die 5. EU-Geldwäscherichtlinie ändert | EY - Deutschland
[26] Blog: Vom Auffangregister zum Vollregister – Gehen die Neuerungen durch das TraFinG weit genug? (msg-compliance.de)
[27] Weed Online - Transparenzregister über wahre Eigentümer von Unternehmen und Trusts: Finanzminister Schäuble sollte Empfehlung des Bundesrats folgen (weed-online.org)
[28] Geldwäscherei - Dubiose Geschäftspartner: Wieso Banken das Risiko zunehmend scheuen (luzernerzeitung.ch)
[29] Spanische Banco Madrid ist pleite: Geldwäsche in Andorra - taz.de
Der Report des Bundeskriminalamts (BKA) zum Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2020 rückt die Russisch-Eurasische Organisierte Kriminalität wieder ins Rampenlicht. Es soll im Folgenden ein ausführlicher Blick darauf und auf jene Länder geworfen werden, in denen durch ihre spezielle geographische Lage und Historie auch heute noch der russische Einfluss spürbar ist.
Das Erbe der Sowjetunion hallt nach. Wie man zu dieser Erkenntnis kommt? Durch die Lektüre des aktuellen BKA-Reports zur Organisierten Kriminalität (OK), der dem Thema REOK ein eigenes Kapitel widmet. REOK steht für Russisch-Eurasische Organisierte Kriminalität.[1] Um dem Thema gerecht zu werden, gilt es zu Beginn kurz auf die REOK-Gruppen prägende Ideologie einzugehen. Es handelt sich hierbei um die sogenannte Ideologie der „Diebe im Gesetz“ – ein ausdrücklich gewährter formaler und besonderer Status einer "kriminellen Autorität" bzw. eines Berufsverbrechers. Dieser nimmt in der Welt des organisierten Verbrechens oder auch der Justizvollzugsanstalten unter eingeweihten Kriminellen eine besondere Position ein und übt dann auch informelle Autorität gegenüber Mitgliedern mit niedrigerem Status aus. Es existiert eine eigene Subkultur, die zu Zeiten der Sowjetunion einen spezifischen Kodex der Werte und Normen ausgebildet hat und denen sich die Syndikate der postsowjetischen Staaten verbunden fühlen.[2] Die postsowjetischen Staaten sind, wie der Name andeutet, die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und umfassen neben der Russischen Föderation insgesamt 14 weitere Staaten: Die Staaten des Baltikums (Estland, Lettland und Litauen), aber auch Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan sowie abschließend Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.
Der BKA-Report beschreibt REOK-Strukturen wie folgt:[3]
In der Gesamtschau hat sich laut Bericht die Anzahl der OK-Verfahren im Bereich REOK gegenüber dem Vorjahr kaum verändert (von 27 auf 26). Bei gut zwei Drittel der REOK-Verfahren waren in erster Linie deutsche, russische und litauisch Staatsangehörige involviert. 12 der 26 REOK-Verfahren waren von Personen mit russischer Staatsangehörigkeit dominiert. [4] Die hinsichtlich REOK häufigsten Delikte betrafen Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben und Rauschgiftdelikte.[5] Auffällig an den Zahlen im Report ist vor allem der in Relation zur Bevölkerungszahl hohe Anteil an litauischen Staatsbürgern als Tatverdächtige bei OK-Verfahren mit REOK-Hintergrund, der mit mehr als 20% zu Buche steht. Das Land im Baltikum hat (trotz seiner glorreichen Vergangenheit als einstmalig flächenmäßig größter Staat Europas)[6] weniger als 3 Mio. Einwohner. Litauen grenzt heute sowohl an Russland (durch die Enklave Kaliningrad (früher Königsberg)) als auch an Weißrussland. Es war bis zu seiner Unabhängigkeit 1990 besetztes Gebiet der Sowjetunion. Diese besondere Konstellation, die den Wirren der Jahrhunderte geschuldet ist, prädestiniert Litauen dafür, Drehscheibe des Handels zwischen der EU und den östlicheren Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu sein. Besondere Bedeutung kommt hier unter anderem dem Hafen in Klaipeda zu. Für die anderen zwei Staaten des Baltikums gilt Ähnliches. Lettland mit seinen Grenzen zu Weißrussland und Russland sowie Estland mit Grenze zu Russland sind weitere Knotenpunkte des Osthandels.
Die Bedeutung des Baltikums als Drehkreuz wird über die geographischen Verhältnisse hinaus noch verstärkt durch die besondere Zusammensetzung seiner Bevölkerung. Zwar gibt es in Litauen mit nur rund 6% einen geringen Anteil an ethnisch russischstämmiger Bevölkerung. Dieser konzentriert sich allerdings vor allem auf die Hauptstadt Vilnius, dem politischen und ökonomischen Zentrum des Landes. In Lettland und Estland ist dieser Anteil durch die aktive Bevölkerungspolitik Moskaus[7] in der Zeit der Sowjetherrschaft signifikant höher und beträgt jeweils mehr als 25%.[8] Es ist daher nicht verwunderlich und folgerichtig, dass auch mehr als 30 Jahre nach der Unabhängigkeit weiterhin starke wirtschaftliche Bande mit Russland als Hauptnachfolgestaat der Sowjetunion bestehen. In diesem Kontext sei darauf hingewiesen, dass es nur Estland geschafft hat, sich in der Zwischenzeit ein wenig stärker dem skandinavischen Raum zuzuwenden. Finnland und Schweden sind Hauptexportpartner für das kleine Land im Nordosten, gleichwohl bleibt der Handel mit dem östlichen Nachbarn weiterhin von Bedeutung.[9] Die Gesamtheit der aufgeführten Verbindungen, welche das Baltikum mit dem russischen Sprachraum (vereinfacht das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion) verwebt, hat sicher mit dazu geführt, dass sich besonders Estland und Lettland, aber auch Litauen[10], in den letzten 15 Jahren immer wieder ungewollt in den internationalen Medien fanden. Kriminelle Akteure, vor allem aus Russland[11], Aserbaidschan[12] oder Moldawien[13], haben die Bankensysteme der Balten zweckentfremdet, um schmutzige Gelder zu waschen. Im Folgenden soll diesem Umstand nun Rechnung getragen werden und ein kurzer Überblick gestattet sein – mit dem nördlichsten Staat Estland anfangend.
ESTLAND
Bezüglich des Themas Geldwäsche und Estland fand besonders der Danske Bank-Skandal mit seinen unglaublichen Ausmaßen, welcher 2017-18 an die Öffentlichkeit kam, in den internationalen Medien und der Bankenszene große Aufmerksamkeit. Möglicherweise wurden hier im Zeitraum 2007-2015 mehr als 200 Mrd. Euro an Geldern gewaschen. Ein Großteil der Gelder hatte ihren Ursprung in Estland, Russland, Lettland und Zypern. Im Zuge der späteren Ermittlungen wurden mögliche Verbindungen zur Familie des russischen Präsidenten, dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB und der aserbaidschanischen Präsidentenfamilie angedeutet[14][15] Dankse selbst hält inzwischen einen Großteil dieser Gelder für verdächtig und von kriminellem Ursprung – etwa aus Steuerhinterziehung oder Drogenhandel. Laut Recherchen der Financial Times hätten hier allerdings schon früh die internen Alarmglocken läuten sollen. So waren beispielsweise 2008 nur 0,5% der gesamten Assets der Danske Bank ihrer estnischen Filiale zuzuordnen. Unternehmensumsätze von Nicht-Esten sorgten allerdings für 8% der vorsteuerlichen Gewinne. Die estnische Aufsicht und auch die russische Zentralbank hatten die Bank zu jenem Zeitpunkt schon darüber informiert, dass einige der Klienten fragwürdige Transaktionen tätigen würden. Von Seiten Danske geschah allerdings nichts und so wurde 2013 über das „Non-Resident“-Portfolio der Filiale die Rekordsumme von 32 Mrd. Euro bewegt. Es kam erst Bewegung in die Sache, als ein interner Whistleblower im selben Jahr ein internes Audit anstieß, welches zur Auflösung der „Non-Resident“-Business-Sparte in Estland im Jahr 2016 führte.[16][17] Bisherige Folge des Skandals war, dass die estnische Filiale von Danske geschlossen wurde und 10 ehemalige Mitarbeiter der estnischen Filiale von Danske ins Gefängnis mussten. Der zum Zeitpunkt des Skandals aktive CEO musste zurücktreten.[18]
LETTLAND
Weiter nach Lettland: Von 2010-2014 wurde Lettland (zusammen mit Moldawien) genutzt, um bis zu 80 Mrd. US Dollar[19] an Geldern aus Russland weißzuwaschen. Der sogenannte „Russian Laundromat“ wurde von der OCCRP (Projekt zur Erfassung und Veröffentlichung von organisierter Kriminalität und Korruption) aufgedeckt und führte in Lettland zum Lizenzentzug der Trasta Komercbanka. Wie man jetzt weiß, sind über diese Bank zweistellige Milliardenbeträge verschoben worden. Dies ist vielleicht der bekannteste Fall von Geldwäsche mit Lettlandbezug[20][21][22]. Als Hotspot der Geldwäsche hat sich Lettland in der Vergangenheit nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Eine simple Suche auf Google nach Terminologien wie „latvian regulator fines“ bringt eine Vielzahl von Ergebnissen und traurige Gewissheit.[23] Das kleine, zwischen Estland im Norden und Litauen im Süden, eingezwängte Land steht im Fokus international agierender Geldwäscheaktivitäten. So konnten im Zuge der Aufdeckung des „Russian Laundromat“ Geldströme in 96 Länder nachverfolgt werden – Geldströme, die erst durch Lücken im Bereich AML der in Lettland tätigen Bankhäuser ermöglicht wurden.[24] Der moldauische Bankskandal von 2014 zerrte Lettland erneut ins unerwünschte Rampenlicht. Schließlich wurden Gelder in Höhe von fast 1 Mrd. Euro, welche durch drei moldauische Banken als „Kredite“ ohne offensichtlichen geschäftlichen Hintergrund vergeben, dem moldauischen Finanzsystem entzogen und dann ins Ausland geschafft wurden, unter Verwendung mehrerer lettischer Banken gewaschen. Die involvierte lettische PrivatBank erhielt die bis dahin höchste, je von den lettischen Regulatoren vergebene Strafe von mehr als 2 Mio. Euro. Trotzdem trat der Chef der lettischen Bankenaufsicht kurze Zeit später von seinem Amt zurück[25]. Im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 wurden außerdem drei lettische Banken und Offshore-Gesellschaften dafür genutzt, um die bestehenden Sanktionen gegen Nordkorea zu umgehen und Gelder zu schleusen. Dies hatte nach Aufdeckung auch Geldstrafen zur Folge.[26] Offshore-Gesellschaften als Vehikel zur bequemen Umgehung von Barrieren gesetzlicher Natur bringen uns zu einem weiteren unrühmlichen Beispiel für die Verwicklung des lettischen Bankensektors in geldwäschebezogene Aktivitäten. Es war im Jahr 2016, als die Aufdeckungsplattform OCCRP ans Tageslicht brachte, dass einige lettische Banken ihren Kunden scheinbar Anleitungen zur Verfügung stellten, in denen erklärt wurde, wie man Offshore-Gesellschaften dazu verwenden könnte, Gelder zu waschen oder Steuern zu umgehen. Anhand von praktischen Beispielen wurde gar darauf hingewiesen, dass erfundene Geschäftstätigkeit trotzdem „Sinn“ machen müsste – etwa anhand des fiktiven Verkaufs von schwerem Gerät. Der Kunde sollte in so einem Fall einen Nachweis über die Korrespondenz mit einem Kranunternehmen erstellen, die für den Transport der Waren benötigt würde. Dazu wurden in den Dokumenten auch Betragswerte kommuniziert, die nicht überschritten werden sollten, um eingehendere Geldwäschekontrollen zu vermeiden.[27] Das lettische Nachrichtenportal LSM.LV beschäftigt sich immer wieder mit Geldwäsche und Betrug und hat dem Thema eine eigene Kurzzusammenfassung gewidmet, welche auch die Internationalität der Anteilseigner und damit auch der Interessen darlegt. Insgesamt werden in dem angesprochenen Beitrag zehn Banken aufgeführt, die allesamt in den letzten Jahren für Vergehen bestraft wurden.[28] Die zahlreichen Skandale mit lettischer Beteiligung und viele „Who is Who“-Artikel lettischer Medien zu diesem Thema lassen das Ausmaß der Probleme erkennen. Im Jahr 2018 wurde auch der Präsident der lettischen Zentralbank von der lettischen Staatsanwaltschaft angeklagt. Er soll Bestechungsgelder im Zusammenhang mit einem Verfahren zur Beaufsichtigung einer lettischen Bank angenommen und Teile dieser Gelder gewaschen haben.
Das zuständige lettische Bezirksgericht wandte sich in der Folge an den Europäischen Gerichtshof, da Lettland Mitglied der Eurozone und die eigene Zentralbank Teil der Europäischen Zentralbank (EZB) ist. Es war die Frage zu klären, ob der ehemalige Präsident in Bezug auf alle in seiner amtlichen Eigenschaft vorgenommenen Handlungen Immunität vor rechtlichen Schritten genießt. Der Europäische Gerichtshof äußerte sich dazu wie folgt: "Handlungen wie Betrug, Korruption oder Geldwäsche werden ... von einem solchen Zentralbankpräsidenten nicht in seiner offiziellen Eigenschaft ausgeführt"[29]. In diesem Fall sei eine kurze Erläuterung erlaubt: Der Fall des Zentralbankpräsidenten fällt natürlich ganz klar unter das Thema PEP (politisch exponierte Person) und wäre im Zuge dessen auch grundsätzlich durch einen Blick in die Auslegungshinweise der FATF Empfehlung 12 zu klären gewesen. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich dort mit dem Thema „Immunität vor Strafverfolgung und Verurteilung“. Es erörtert, dass die eventuelle Immunität eines PEP im Amt zwar eine Strafverfolgung verzögern oder verhindern könnte, durch eine fallbezogene Verdachtsmeldung allerdings auch eine Untersuchung auslösbar sei. Diese würde eventuell andere Personen ohne Immunität identifizieren, die in kriminelle Aktivitäten verwickelt seien und sofort strafrechtlich verfolgt werden könnten. Zusätzlich, so führt Auslegungshinweis 108 weiter aus, könnte ein PEP zu einem späteren Zeitpunkt die Immunität vor Strafverfolgung im Inland verlieren, so dass eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet oder fortgesetzt werden könnte. Der darauffolgende Auslegungshinweis 109 wirkt dann beinahe so, als hätte man eine Frage wie die des lettischen Bezirksgerichts antizipiert. Er stellt klar, dass bei kriminellen Handlungen, die nicht als offizielle Handlungen des Staates angesehen werden können und die eine hohe strafrechtliche Verantwortung tragen, eine strafrechtliche Immunität nicht einfach als gegeben angenommen werden sollte.[30]
In Lettland hat die Fülle an Betrugs- und Geldwäschefällen und der dadurch entstandene Druck auf das Land in den Jahren seit 2018 allerdings doch Wirkung gezeigt. Die Geldwäschebekämpfung wurde zu einem der wichtigsten Themen der Regierung. Diese Bemühungen wurden im Februar 2021 auch von der FATF anerkannt, die in einer Veröffentlichung verlautete, dass Lettland nun alle FATF-Empfehlungen weitgehend erfülle.[31] [32]
LITAUEN
Litauen, der eigentliche Auslöser für den Blick in das Baltikum bzw. den Fokus auf die baltischen Länder, hat, obwohl es das bevölkerungsreichste Land unter den drei Ländern ist, die geringste Zahl an ausländischen Staatsbürgern und Firmeneinlagen von Nicht-Staatsbürgern.[33] Dies ist eine Entwicklung der letzten Jahre und Ausdruck der von den litauischen Finanzinstituten angestrebten Verminderung des Risikos. Risikoerhöhend wirkt hingegen die Größe der schattenwirtschaftlichen Aktivität, welche auf 15-24% des Bruttosozialprodukts geschätzt wird. [34]
Das Land gilt als Transitland[35] für illegale Drogen und ist Sitz des wichtigsten Warenumschlagshafens des Baltikums in Klaipeda (46,2 Mio. Tonnen an Waren im Jahr 2019[36]). Der Hafen, der ganzjährig eisfrei ist[37], gilt als wichtiger Eintrittspunkt für Kokain. Dementsprechend operieren kriminelle litauische Banden vor allem im illegalen Drogenhandel. Zudem spielt der Fahrzeugdiebstahl eine Rolle, wobei die Aktivitäten sich jeweils auf Skandinavien, die Niederlande, Deutschland, Spanien und Russland konzentrieren.[38] Ein Blick auf den Bereich Trade Finance zeigt laut nationaler Risikoanalyse weniger Baustellen, als man in Hinblick auf den Warenumschlagshafen in Klaipeda vielleicht erwarten würde. Gleichwohl erwähnt die Analyse, dass, obgleich der Bankensektor über ausreichend Kenntnisse der Geldwäscherisiken bei Handelsfinanzierungen verfüge, es in einigen Bereichen an auf die Handelsfinanzierung zugeschnittenen Regeln für die Überwachung von Transaktionen fehle. Risikomindernd wäre allerdings die Tatsache, so die Begründung, dass der Umsatz mit Trade Finance-Produkten bei litauischen Banken weniger als 10% des Gesamtumsatzes ausmachte[39]. Die litauische nationale Risikoanalyse für das Jahr 2020 weist dafür das Thema der virtuellen Währungen als jenes mit dem größten Risiko aus. Vor allem das hohe Maß an Anonymität, die mangelnde Rückverfolgbarkeit und Schnelligkeit der Geldüberweisungen werden hier als risikoerhöhend anerkannt. Dies sind – und hier schließt sich der Kreis – alles Punkte, die den Krypto-Hackern, welche aus dem Herzen der russischen Hauptstadt operieren, durchaus bekannt sein dürften. Jüngsten Berichten zufolge sitzen etwa alleine im „Vostock“, dem höchsten Wolkenkratzer der Hauptstadt, zumindest vier Unternehmen, die Geldwäsche im Zusammenhang mit Ransomware-Aktivitäten betreiben.[40]
Fazit
Es ist aufgrund des zuvor Gesagten zu vermuten, dass das Thema Geldwäsche und Betrug in den baltischen Ländern durch ihre kulturelle und geographische Nähe zu Russland auf der Tagesordnung bleiben wird. Auch der schnell wachsende Markt der Kryptowährungen und die Bedrohungen durch Ransomware-Aktivitäten (siehe Colonial Pipeline als Musterfall)[41] unterstützen dies. Zudem hat die Coronapandemie weltweit neue Bedrohungen und Schwachstellen für AML/CFT-Systeme geschaffen. Die Aufsichtsbehörden sahen sich im Zuge der Pandemie jedenfalls mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die vor allem mit der korrekten Bewertung neu auftretender Risiken und der Kommunikation in Richtung Verpflichteter bzgl. geeigneter Abhilfemaßnahmen zu tun hatten. Moneyval, der Expertenausschuss des Europarates für die Bewertung von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (Mitglied sind auch die drei baltischen Länder), arbeitet derzeit an einem Bericht über Typologien zu diesem Thema. Die Veröffentlichung ist noch für 2021 geplant und soll überblicksmäßig jene Maßnahmen betrachten, welche die Aufsichtsbehörden ergriffen haben, um die Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung trotz der durch die Pandemie verursachten Einschränkungen fortzusetzen.[42] Die Lage bleibt also weiterhin spannend. Daher behalten wir die zukünftigen Entwicklungen im Kontext Anti-Financial Crime und Baltikum für Sie auf jeden Fall im Auge und werden Ihnen darüber berichten.
[1] https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/OrganisierteKriminalitaet/organisierteKriminalitaetBundeslagebild2020.html;jsessionid=D4473D0F7F5BEB50081DC1CB95D81F6A.live612?nn=27988
[2] https://en.wikipedia.org/wiki/Thief_in_law
[3] https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/OrganisierteKriminalitaet/organisierteKriminalitaetBundeslagebild2020.html;jsessionid=51797DCAC8918F08B3EB11B56A33AC9F.live292?nn=27988
[4] https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/OrganisierteKriminalitaet/organisierteKriminalitaetBundeslagebild2020.html;jsessionid=51797DCAC8918F08B3EB11B56A33AC9F.live292?nn=27988
[5] https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/OrganisierteKriminalitaet/organisierteKriminalitaetBundeslagebild2020.html;jsessionid=51797DCAC8918F08B3EB11B56A33AC9F.live292?nn=27988
[6] https://en.wikipedia.org/wiki/Grand_Duchy_of_Lithuania
[7] https://www.bundestag.de/resource/blob/502250/4a724aa7d34d30c84baed59a7046500f/wd-2-010-17-pdf-data.pdf
[8] https://en.wikipedia.org/wiki/Baltic_states#Ethnic_groups
[9] https://wits.worldbank.org/CountryProfile/en/Country/EST/Year/2019/TradeFlow/EXPIMP/Partner/by-country
[10] https://www.occrp.org/en/troikalaundromat/the-troika-laundromats-friendly-eu-banker
[11] https://www.theguardian.com/world/2017/mar/20/the-global-laundromat-how-did-it-work-and-who-benefited
[12] https://www.occrp.org/en/azerbaijanilaundromat/
[13] https://jam-news.net/cleaning-up-the-baltic-laundromat/
[14] https://en.wikipedia.org/wiki/Danske_Bank_money_laundering_scandal
[15] https://en.wikipedia.org/wiki/Danske_Bank_money_laundering_scandal
[16] https://www.reuters.com/article/us-danske-bank-moneylaundering-explainer-idUSKCN1NO10D
[17] https://youtu.be/XYb5UUopLrA
[18] https://en.wikipedia.org/wiki/Danske_Bank_money_laundering_scandal
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/Russischer_Waschsalon
[20] https://www.occrp.org/en/laundromat/the-russian-laundromat-exposed/
[21] https://en.wikipedia.org/wiki/Russian_Laundromat
[22] https://securingdemocracy.gmfus.org/massive-russian-financial-flows-through-moldova-show-small-jurisdictions-matter/
[23] https://www.google.com/search?q=latvian+regulator+fines&rlz=1C1GCEB_enDE978DE978&oq=latvian+regulator+fines&aqs=chrome..69i57j69i60.5965j0j7&sourceid=chrome&ie=UTF-8
[24] https://www.occrp.org/en/laundromat/the-russian-laundromat-exposed/
[25] https://en.wikipedia.org/wiki/2014_Moldovan_bank_fraud_scandal
[26] https://eng.lsm.lv/article/society/crime/latvian-banks-used-to-fund-north-korea.a241340/
[27] https://www.occrp.org/en/investigations/5358-latvian-banks-promote-money-laundering-companies
[28] https://eng.lsm.lv/article/features/features/a-guide-to-the-rest-of-latvias-non-resident-banks.a271035/
[29] https://www.reuters.com/markets/rates-bonds/cbanker-immunity-not-valid-conduct-outside-official-capacity-eu-court-2021-11-30/
[30] https://www.fatf-gafi.org/media/fatf/documents/recommendations/Guidance-PEP-Rec12-22.pdf
[31] https://freedomhouse.org/country/latvia/nations-transit/2021#footnote2_9jj2ydq
[32] https://eng.lsm.lv/article/economy/banks/latvia-avoids-being-placed-on-international-money-laundering-gray-list.a349027/
[33] http://www.fntt.lt/data/public/uploads/2020/05/final-nra_eng_v3.pdf
[34] http://www.fntt.lt/data/public/uploads/2020/05/final-nra_eng_v3.pdf
[35] https://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/11308/lithuania-cdr-2018-with-numbers.pdf
[36] https://bremenports.de/wp-content/uploads/2021/02/2021_Logistics-Pilot_Februar.pdf
[37] https://de.wikipedia.org/wiki/Hafen_Klaip%C4%97da
[38] http://www.fntt.lt/data/public/uploads/2020/05/final-nra_eng_v3.pdf
[39] http://www.fntt.lt/data/public/uploads/2020/05/final-nra_eng_v3.pdf
[40] https://decrypt.co/85194/russias-most-prestigious-skyscraper-is-home-to-crypto-hackers-criminals
[41] https://decrypt.co/70794/colonial-pipeline-hackers-ransom-untraceable-cryptocurrency
[42] https://www.coe.int/en/web/moneyval/-/moneyval-holds-the-annual-typologies-meeting
Die Türkei wurde von der Financial Action Task Force (FATF)[1] neben Mali und Jordanien am 21.11.21 auf die so genannte „graue Liste“ gesetzt, weil ihre Maßnahmen im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AML/CFT) als unzureichend bewertet wurden.[2] Bei der grauen Liste handelt es sich um eine globale Aufstellung von Ländern, die ungenügende Schutzmaßnahmen gegen Geldwäsche, Proliferations- und Terrorismusfinanzierung vorweisen.
Warum wurde die Türkei in die graue Liste aufgenommen?
Die Türkei zählt zu den Mitgliedsstaaten der FATF und hat sich damit ebenfalls dem Kampf gegen Finanzkriminalität verpflichtet. Hier hatte das Land nach Ansicht der FATF in der Vergangenheit zwar einige Fortschritte vorzuweisen, aber nach Einschätzung des FATF-Präsidenten Marcus Pleyer bestehen weiterhin zahlreiche Probleme.[3]
Die FATF konkretisierte die Kritik in ihrer Presseerklärung vom 21.10.21. Bemängelt wurde vor allem, dass die Aufsicht des Landes gegenüber Hochrisikosektoren wie Banken, Gold- und Edelsteinhändler sowie Immobilienmakler nicht ausreichend vorgegangen sei. Es wird befürchtet, dass u.a. terroristische Vereinigungen ihre illegal erworbenen Gelder auf dem türkischen Immobilienmarkt einspeisen und von dort aus in andere Bereiche integrieren. Durch die geografische Nähe zu Iran, Irak, Syrien und Libanon und die relativ durchlässigen Grenzen zur Türkei besteht zudem die Sorge, dass die Terrorismusfinanzierung keinen Halt vor den Toren Europas macht.
Ferner reagierte die FATF mit dem „Grey Listing“ auf das nach wie vor harte Vorgehen gegenüber der Zivilbevölkerung. Die konkrete Kritik richtete sich dabei gegen das „Anti-Terror Gesetz“ der Türkei zur „Verhinderung der Verbreitung der Finanzierung von Massenvernichtungswaffen“. Dessen Regelungen beinhalten – anders als der Titel es vermuten lässt – keine Strafmaßnahmen oder Kontrollmechanismen gegen Geldwäsche oder die Finanzierung von Massenvernichtungswaffen zu terroristischen Zwecken. Stattdessen berechtigen sie den Staatspräsidenten, Gelder und Vermögen von Terror-Beschuldigten einzufrieren.
Letztlich stand auch der Umgang der Türkei mit gemeinnützigen Organisationen im Mittelpunkt der Kritik der FATF. Bereits das Bestehen strafrechtlicher Ermittlungen wegen Terrorismusvorwürfen gegen ein Vorstandsmitglied von Initiativen, Vereinen und Stiftungen berechtigt das Innenministerium und die von der Regierung ernannten Gouverneure, die betroffenen Personen zu suspendieren, die Tätigkeit der jeweiligen Vereinigung lahmzulegen und an ihre Stelle einen Zwangsverwalter einzusetzen.
Welche Konsequenzen resultieren für die Türkei aus der Aufnahme in die graue Liste?
Die Aufnahme der Türkei in die graue Liste der FATF führt dazu, dass sie unter verstärkter Beobachtung steht. Gleichzeitig ist sie verpflichtet:
Konkret fordert die FATF, dass die Türkei künftig einen risikobasierten Ansatz bei der Beaufsichtigung von gemeinnützigen Organisationen im Einklang mit den FATF-Standards sicherstellen soll. Legitime Aktivitäten sollen durch die Behörden aber nicht be- oder verhindert werden.[5]
Welche Folgen hat das „Grey Listing“ für Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz (GwG)?
Die FATF legt ihren Mitgliedsstaaten keine unmittelbaren Handlungspflichten gegenüber „grau“ gelisteten Ländern auf. Die Mitglieder werden aber angehalten, in ihren Risikoanalysen den FATF-Informationen Rechnung zu tragen und ggf. weitere Maßnahmen zu ergreifen[6].
Dies hat weitreichende Folgen. Zunächst müssen alle nach § 2 des Geldwäschegesetzes (GwG) Verpflichteten schnellstmöglich auf die Aufnahme der Türkei in die graue Liste reagieren und ihre Risikoanalyse anpassen. Aus den Ergebnissen der Risikoanalyse sind interne Sicherungsmaßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Der konkrete Umfang der zu ergreifenden Maßnahmen wird von den Verpflichteten selbst bestimmt.
Für Unternehmen, die geschäftliche Beziehungen in die Türkei unterhalten aber auch für Firmen mit Sitz in der Türkei gelten unter Umständen erhöhte Sorgfaltspflichten. Man darf kritisieren, dass es zum jetzigen Zeitpunkt weder seitens des Bundesfinanzministeriums noch seitens der BaFin hierzu klaren Handlungsempfehlungen gibt, obwohl dies nach GWG durchaus zulässig wäre (§ 15 Abs. 8). Allerdings leiten sich die verstärkten Sorgfaltspflichten bereits aus dem § 15 Abs. 2 GWG ab.
Welche Auswirkungen ergeben sich für das Korrespondenzbankengeschäft?
Durch die Aufnahme der Türkei in die graue Liste kann die Beziehung der Türkei zu ausländischen Banken und Investoren belastet werden. Staaten, die geschäftliche Beziehungen mit der Türkei unterhalten, müssen möglicherweise deutlich häufiger Due Diligence-Prüfungen durchführen und dabei die Risiken der Zusammenarbeit mit türkischen Banken berücksichtigen.
Das deutsche Geldwäschegesetz definiert für Korrespondenzbankbeziehungen einen Katalog obligatorischer Sorgfaltspflichten, die sich stets aus allgemeinen Sorgfaltspflichten und unter definierten Voraussetzungen zusätzlich verstärkten Sorgfaltspflichten zusammensetzen.
Das „Grey Listing“ der Türkei könnte also auch Enhanced Due Diligence-Prüfungen nach sich ziehen. Verpflichtete nach dem GwG sollten prüfen, ob Lieferketten durch die Türkei oder ein anderes „grau“ gelistetes Land führen. Die Prüfung von türkischen Regierungsbeamten oder staatlichen Unternehmen gegen Sanktionslisten ist beispielsweise auch eine Möglichkeit der Enhanced Due Diligence-Prüfung.
Welche Effekte hat die graue Liste für Lieferkettenbeziehungen?
Ab 2023 werden deutsche Unternehmen verpflichtet, entlang ihrer Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken sowie die Verletzung geschützter Rechtspositionen zu identifizieren und zu beseitigen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das als Lieferkettengesetz bekannt ist, schreibt dies unter bestimmten Voraussetzungen vor. Auch hier ist dann bei der Durchführung einer Risikoanalyse der Umstand zu berücksichtigen, dass ein Land auf der grauen Liste steht. Ausgehend von einem risikobasierten Ansatz müssen Unternehmen entscheiden, wie weit sie ihre Sorgfaltsprüfung nach unten in der Lieferkette ausdehnen wollen. Hierbei stellt sich auch die Frage, inwieweit dem unmittelbaren Vertragspartner Sorgfaltspflichten auferlegt werden können, die weiteren Unternehmen in der Lieferkette zu überprüfen. „Für Unternehmen auf internationalem Terrain sind die regulatorischen Erwartungen relativ klar. Die Notwendigkeit und Voraussetzungen eines effektiven Geschäftspartner-Managements sind beispielsweise im Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) und dem UK Bribery Act (UKBA) umfassend dargelegt.[7]“
Welche wirtschaftlichen Folgen drohen durch die FATF-Einstufung?
Die türkische Lira befindet sich auf Talfahrt und die Inflation liegt bei knapp 20 Prozent. Ausländische Investitionen in der Türkei sind rückläufig. Die Aufnahme in die graue Liste kann für die ohnehin angeschlagene Wirtschaft der Türkei verheerende Folgen nach sich ziehen, da sie voraussichtlich eine zusätzliche abschreckende Wirkung auf ausländische Investitionen und Handelsströme haben wird.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in einer Studie[8] bestätigt, dass eine Aufnahme in die graue Liste der FATF einen großen und signifikanten negativen Effekt auf die Kapitalzuflüsse eines gelisteten Landes habe: Die eingehenden Kapitalströme – sowohl Auslandsinvestitionen als auch Banküberweisungen – sanken durchschnittlich um 7,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Damit einhergehend wird sich höchstwahrscheinlich auch der Trend zu den für viele Türken attraktiven Kryptowährungen noch verstärken, um dem weiteren Verfall der eigenen Währung zu entkommen.
Fazit
Die Aufnahme eines Staates in die graue Liste wird von Experten oft als erster Schritt zu strengeren Sanktionen gesehen. Im Falle der Türkei erzeugt das das Grey Listing möglicherweise auch Druck auf die EU, die Türkei in die eigene Geldwäscheliste aufzunehmen.[9] Transparency International vermutet, dass die Türkei in einem weiteren Schritt mit Sanktionen der Weltbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie Schwierigkeiten bei der Sicherung von Krediten konfrontiert werden könnte.
Unternehmen, die mit türkischen Geschäftspartnern handeln, unterliegen nun besonderen Sorgfaltspflichten. Verpflichtete nach dem GwG sollten ihre Risikobewertungen für alle Länder mit der grauen Liste der FATF abgleichen und ihre Risikoanalyse anpassen. Anderenfalls kann dies zu Verstößen gegen das GwG führen.
Die graue Liste der FATF hat negative Auswirkungen für das gelistete Land. Sie kann aber auch als Ansporn betrachtet werden, Reformen auf den Weg zu bringen, um bestehende Mängel im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu beheben und wieder Kapitalflüsse ins Land zu generieren.
[1] Die FATF ist die weltweit führende Organisation zur Geldwäschebekämpfung. Sie entwickelt Leitlinien, setzt Standards und gibt Empfehlungen zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Finanzierung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation). Über 200 Staaten – darunter auch die Türkei – und Jurisdiktionen haben sich zur Einhaltung der FATF-Standards verpflichtet. Die Umsetzung der Maßnahmen durch die Mitgliedsstaaten wird regelmäßig von der FATF überprüft.
[2] Die Türkei wurde bereits zuvor im Jahr 2011 in diese Liste aufgenommen und 2014 wieder entfernt.
[3] https://anfdeutsch.com/aktuelles/turkei-auf-grauer-liste-fur-finanzstraftaten-28920
[4] Mittlerweile hat die Türkei einen Aktionsplan aufgesetzt. Dessen Inhalt kann hier nachgelesen werden: www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-october-2021.html
[5] www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-october-2021.html
[6] www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-october-2021.html
[7] www.catuslaw.com/wp-content/uploads/2021/10/Trossbach_CCZ-Geschaeftspartner-Compliance.pdf
[8] www.imf.org/en/Publications/WP/Issues/2021/05/27/The-Impact-of-Gray-Listing-on-Capital-Flows-An-Analysis-Using-Machine-Learning-50289
[9] www.mena-watch.com/tuerkei-koennte-auf-graue-liste-fuer-korruption-und-geldwaesche-kommen/
Dem Jahresbericht der Financial Intelligence Unit (FIU) ist zu entnehmen, dass im Zeitraum März bis Dezember 2020 im Zusammenhang mit zu Unrecht gezahlter Corona-Soforthilfe durch die Verpflichteten rund 11.200 Verdachtsmeldungen erstattet wurden. Davon hat die FIU rund 9.500 Meldungen als Betrugsversuch identifiziert.
Diese Entwicklung war absehbar, denn die Corona-Soforthilfe konnte für deutsche Verhältnisse kurzfristig und relativ unkompliziert beantragt werden und ist darüber hinaus nicht rückzahlungspflichtig. Insofern durfte man davon ausgehen, dass etablierte Typologien wie die Nutzung von sogenannten Strohmännern auch zur unrechtmäßigen Erlangung von Covid-19 Soforthilfe genutzt werden.
Dass sich der Kreis der Beteiligten, wie dem Jahresbericht zu entnehmen ist, nicht ausschließlich auf Strohmänner, zuvor schon insolvente oder in Abwicklung befindliche Unternehmen beschränkt, sondern auch Unternehmen einbezieht, die keine pandemiebedingten Verluste zu verzeichnen hatten, ist ebenso wenig überraschend. Anträge kamen auch von Privatpersonen, die kein Gewerbe angemeldet hatten, oder von Sozialhilfeempfängern, die durch Dritte benutzt wurden. Dieses Phänomen gibt es auch im Zusammenhang mit Tätigkeiten als Finanzagent und darf als bekannt vorausgesetzt werden.
Für den FIU Jahresbericht 2021 wird es spannend sein zu sehen, ob dann auch Sachverhalte thematisiert werden, bei denen beispielsweise politisch exponierte Personen (PEP) finanzielle Vorteile aus der Pandemie ziehen wollten − wie die Fälle der CDU-Politiker Niklas Löbel oder Georg Nüßlein, die aus Masken-Geschäften hohe Provisionen bezogen haben sollen.
Bemerkenswert ist auch die Falldarstellung der FIU zur handelsbasierten Geldwäsche („Trade-Based Money Laundering“ – TBML; siehe auch gesonderten Blogartikel dazu) im Kontext von Covid-19. Sie zeigt Verpflichteten anschaulich anhand eines konkreten Beispiels, dass es sich bei den betrügerischen Handlungen nicht nur um Fälle mit Beträgen zwischen 3.000 bis 25.000 Euro handeln muss. Im Zusammenhang mit dem Import von Atemschutzmasken aus Asien hat ein Kreditinstitut eine verdächtige Zahlung über 1,6 Millionen Euro vor der Überweisung in das Ausland angehalten und der FIU gemeldet. Dieser Fall zeigt eindrucksvoll, dass bei diesem Institut die implementierten Maßnahmen zum Zwecke der Geldwäscheprävention ihre Wirkung scheinbar entfaltet haben.
Nicht in Vergessenheit geraten darf auch, dass zeitweise die Auszahlungen aufgrund einer Vielzahl von falschen Antragsstellungen gestoppt wurden, was zumindest in Nordrhein-Westfalen zu einer höheren Sensibilität im Rahmen der Bewilligung geführt haben dürfte. Wie viele Schadensfälle hier konkret allerdings verhindert wurden, wird nicht mehr zu ermitteln sein. Insgesamt spricht der deutsche Richterbund mittlerweile von mehr als 20.000 Fällen im Zusammenhang mit Soforthilfe-Betrug und anderer Delikte mit Pandemie-Bezug.
Quelle: FAZ
Es ist davon auszugehen, dass die Anzahl in den kommenden Monaten und Jahren noch weiter ansteigen wird. Auch künftig werden wir mit weiteren spektakulären Fällen und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Covid-19 rechnen müssen. Dies zeigen die Fälle von vermutlichem Abrechnungsbetrug bei Schnelltests, die mittlerweile ein immer größeres Ausmaß annehmen und nach wie vor im Fokus der Ermittlungsbehörden stehen.
Quelle: ZEIT
Auffallend hierbei ist, dass die Ermittlungsbehörden scheinbar erst durch die Medien darauf aufmerksam gemacht wurden, dass die Anzahl der beantragten Erstattungen nicht im Einklang mit den tatsächlich vorgenommenen Schnelltests stand. Hier ist es der Recherchetätigkeit der Medien zu verdanken, dass diese Fälle auch der Allgemeinheit zur Kenntnis gelangt sind.
Es wäre begrüßenswert, wenn die FIU in ihrem Jahresbericht für das Jahr 2021 nicht nur die Anzahl der Verdachtsmeldungen im Zusammenhang mit Covid-19 übermittelt, sondern auch darstellt, wie viele zu Unrecht geflossenen Gelder durch die Ermittlungsbehörden sichergestellt wurden. Damit könnte sie den Verpflichteten das Feedback zukommen lassen, dass ihre Anstrengungen auch von Erfolg gekrönt waren, denn die alleinige Anzahl lässt leider keinerlei Rückschlüsse auf das sichergestellte Volumen zu.
Das Hawala-Banking, gerne auch als „Underground Banking“ bezeichnet, hat eine jahrhundertelange Tradition und existiert in vielen Ländern als Parallelsystem zum traditionellen Banking. Dass dieses System auch zum Zwecke der Geldwäsche beziehungsweise zur Finanzierung des internationalen Terrorismus genutzt werden kann, ist keine neue Feststellung. Die FIU hat diesen nicht regulierten Geldtransfer nunmehr in ihrem Jahresbericht 2020 aufgegriffen und thematisiert.
International hat bereits die FATF diese Form des Geldtransfers im Bericht aus dem Jahre 2013 „The Role of Hawala and Other Similar Service Providers in Money Laundering and Terrorist Financing“ behandelt und konkrete Typologien vorgestellt.
Quelle: FATF
Die von der FATF genannten Typologien und Sachverhalte können zum überwiegenden Teil auch als Regeln in Research-Systemen zur Untersuchung von Transaktionen implementiert werden. Sie können zu Auffälligkeiten in den Systemen führen, die durch die Verpflichteten analysiert werden müssen. Gleichwohl erscheint es sinnvoll, sich mit den Typologien und Fallstudien intensiver auseinanderzusetzen, um eine adäquate Risikostrategie zu implementieren.
So gibt es nicht nur im Zusammenhang mit Hawala, sondern auch im Zusammenhang mit der Finanzierung des Terrorismus die Empfehlung, sogenannte „Money Collection Accounts“ zu prüfen. Gleiches gilt für den Sachverhalt „many to one“, bei dem viele verschiedene Parteien Gelder an einen Empfänger versenden. Die Beträge werden danach unmittelbar ins Ausland überwiesen beziehungsweise an Geldautomaten verfügt.
Bei der Analyse solcher Typologien kann man schnell zu der Erkenntnis kommen, dass Hawala-Banking ein Phänomen ist, bei dem es sich grundsätzlich um kleine Beträge handelt.
Das entspricht nicht den Tatsachen. Die gesamte Thematik ist deutlich komplexer. Dies haben wir in Deutschland im Jahre 2019 wahrgenommen, als das Landeskriminalamt NRW bei einem Edelmetallhändler in Duisburg im Rahmen einer Durchsuchung 26 Millionen Euro in bar beschlagnahmt hat. Man geht davon aus, dass allein dieses Netzwerk insgesamt 212 Millionen Euro über Jahre vorzugsweise in die Türkei geschleust hat.
Quelle: Tageschau
Aktuell werden wir durch die Medien mit einem ähnlich gelagerten Sachverhalt konfrontiert. Er zeigt die Komplexität des Systems, aber auch, dass sich der deutsche Staat des Risikos durchaus bewusst ist.
Quelle: Radio MK
Wenn man sich das Volumen und den Modus Operandi genau vor Augen führt, dann stellt man fest, dass keine der bis dato publizierte Typologien diesen Sachverhalt auch nur annähernd erfasst hatte.
Dass dieses über Jahrhunderte etablierte System grundsätzlich eine Daseinsberechtigung in bestimmten Regionen hat, wird am Beispiel der Fremdarbeiter auf der arabischen Halbinsel deutlich. Die dort tätigen Arbeiter, vorzugsweise aus Ländern wie Bangladesch, Nepal oder Indien rekrutiert, nutzen die dort in einer Vielzahl ansässigen HOSSP’s (Hawala and Other Similar Service Provider), um ihren Familien in der Heimat in regelmäßigen Abständen Geld für den Lebensunterhalt zu überweisen. Dieses System ist in diesen Ländern elementar wichtig, da weder Auftraggeber noch Empfänger oftmals über ein Konto verfügen.
In Deutschland besteht die große Herausforderung darin, die Anbieter derartiger Dienste zu identifizieren. Da durch neue Services, wie beispielsweise Bareinzahlungsautomaten, der Kontakt zum Kunden immer geringer wird und sich die Anzahl der persönlichen Kontakte auch aus Kostengründen seitens der Verpflichteten reduziert, kann ein wichtiges Element bei der Bekämpfung von Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus nicht mehr aktiv gelebt werden: Der persönliche Kontakt zum Kunden, der nach wie vor ein elementarer Baustein einer effektiven Prävention ist.
Hawala-Banking wird in einigen Regionen dieser Welt, in denen das Bankensystem nicht so ausgeprägt ist wie in Europa, immer Bestandteil des Systems bleiben. Es muss aber darauf geachtet werden, dass es durch die Nutzer nicht missbraucht wird, um inkriminierte Werte zu legalisieren oder terroristische Aktivitäten zu unterstützen.
Gleichwohl ist Hawala in Deutschland aufgrund der Gesetzgebung nicht zulässig. Es erfordert enorme Anstrengungen von Seiten der Strafverfolgungsbehörden wie auch der Verpflichteten, derart komplexe Zahlungsverfahren ausfindig zu machen, um die Wirksamkeit der in den Kreditinstituten implementierten Präventionssysteme nicht zu unterwandern.
msg Rethink Compliance GmbH
Amelia-Mary-Earhart-Str. 14
60549 Frankfurt am Main
+49 69 580045-0
info@msg-compliance.com
Die msg Rethink Compliance GmbH ist Teil von msg, einer unabhängigen Unternehmensgruppe mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden.
Die msg-Gruppe ist in 32 Ländern in den Branchen Banking, Insurance, Automotive, Consumer Products, Food, Healthcare, Life Science & Chemicals, Public Sector, Telecommunications, Manufacturing, Travel & Logistics sowie Utilities tätig, entwickelt ganzheitliche Softwarelösungen und berät ihre Kunden in allen Belangen der Informationstechnologie.